Die Siebenschläfer von Rotthof

Frühchristliche Märtyrer werden in Niederbayern verehrt - Ihre Geschichte steht auch im Koran

"Ist's an Siebenschläfer nass, regnet's ohne Unterlass." Nach der Kalenderregel, die es in vielerlei Abwandlungen gibt, entscheidet sich um den Siebenschläfertag herum, ob der Sommer sonnig wird oder ob es sieben Wochen lang regnet. Der 27. Juni gilt als Stichtag, auch wenn die Siebenschläfer seit der letzten Kalenderreform weder an diesem noch an einem anderen Tag im Kalender erwähnt werden. Aber es gab sie - zumindest in der Legende. In Rotthof im niederbayrischen Rottal werden sie noch immer verehrt.

Die auf einer Anhöhe über dem Dorf gelegene Kirche ist neben einer kleinen Kapelle im fränkischen Stegaurach das einzige Gotteshaus im deutschen Sprachraum, das den heiligen Siebenschläfern geweiht ist. Und um diese geht es am Siebenschläfertag, nicht um das gleichnamige Nagetier, das sieben Monate Winterschlaf hält. In Europa ist nur noch eine weitere Kirche und mit ihr der ganze Ort nach den heiligen Siebenschläfern benannt, Sept Saints bei Le Vieux Marché in der Bretagne.

Der Ursprung der Legende von den sieben heiligen Schläfern liegt in der antiken Stadt Ephesus. Unter dem römischen Kaiser Decius (249 - 251) wurden dort die Christen blutig verfolgt, die sich weigerten, den heidnischen Götterbildern zu opfern. Unter ihnen waren sieben vornehme junge Männer, die sich in eine Höhle flüchteten, um den Verfolgern zu entkommen. Ihr Versteck wurde aber verraten. Da ließ der Kaiser sie in ihrer Höhle einmauern.

Rund 200 Jahre später errichteten Bauern in der Nähe einen Stall und verwendeten hierfür die Steine, mit denen die Höhle versperrt war. Da erwachten die sieben Jünglinge und dachten, sie hätten nur eine Nacht geschlafen. Sie schickten einen von ihnen in die Stadt, um Lebensmittel zu kaufen. Als dieser mit einer Münze bezahlte, die das Bild des Kaisers Decius zeigte, hielten ihn die Kaufleute für einen Betrüger, nahmen ihn fest und führten ihn vor den Stadtpräfekten und vor den Bischof, die ihn verhörten. Es soll der 27. Juni 446 gewesen sein.

Nachdem der junge Mann seine Geschichte von der Verfolgung durch Kaiser Decius erzählt hatte, zog der Bischof mit viel Volk hinaus zu der Höhle. Dort fanden sie die anderen Jünglinge, glaubten ihnen und priesen Gott, der ihnen ein Zeichen für die Auferstehung der Toten gegeben hatte, die gerade zur damaligen Zeit von einigen Irrlehrern geleugnet wurde. Kurze Zeit später starben die Jünglinge eines seligen Todes und wurden bald als Heilige verehrt.

Das Besondere an dieser Legende ist, dass die heiligen Siebenschläfer nicht nur von Christen verehrt werden, sondern auch von den Muslimen. Die Geschichte wird unter dem Titel "Die Höhle" in der 18. Sure des Koran erzählt, die zum traditionellen Freitagsgebet in der Moschee gehört. Dort heißt es: "Da die Jünglinge in die Höhle einkehrten, sprachen sie: ‚O unser Herr, gewähre uns Barmherzigkeit und lenke unsere Sache zum Besten.' (Vers 9) Und später in Vers 24: "Und sie verweilten in der Höhle dreihundert Jahre und neun dazu." Im Koran hatten die sieben Jünglinge noch einen Hund als Gefährten. Er taucht auch bei Johann Wolfgang von Goethe auf, der die muslimische Version der Geschichte in seinem "West-östlichen Diwan" aufgreift und in rund 100 Verszeilen besingt: "Auch, auf heilen Vorderpfoten, schläft das Hündlein süßen Schlummer. - Jahre fliehen, Jahre kommen, wachen endlich auf die Knaben, und die Mauer, die vermorschte, altershalber ist gefallen."

In der Kirche von Rotthof hat der Rokokobildhauer Johann Baptist Modler zusammen mit seinem Sohn Balthasar 1758 die Siebenschläferlegende plastisch dargestellt. In einer Grotte, die den gesamten Hochaltar ausfüllt, liegen die sieben schlafenden Jünglinge malerisch hindrapiert. Wie die Rotthofer zu ihrem Patrozinium kamen, ist nicht gesichert. Vielleicht hat das Volk einen der Grabsteine aus der Römerzeit, die in dem Ort erhalten sind, als Darstellung der Siebenschläfer gedeutet. Er zeigt Porträts von sieben Verstorbenen.

Die Wallfahrt zu den sieben heiligen Schläfern, die im 18. und 19. Jahrhundert ihre Blüte erlebt hat, wird heute in Rotthof nicht mehr gepflegt, im Unterschied zu Sept Saints in der Bretagne. Dort treffen sich jährlich am 27. Juni christliche und muslimische Pilger gemeinsam, um der sieben Martyrer aus Ephesus zu gedenken, die bei uns nur noch aus der Wetterregel bekannt sind, obwohl sie mit dem Wetter in Deutschland ganz bestimmt nichts zu tun hatten.

Karl Grüner

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