Hitlers schärfster Kritiker war ein Kapuziner

Vor 80 Jahren starb P.Ingbert Naab im Exil


"Herr Hitler, wer hat Sie gewählt?" Dieser Satz hat den Kapuziner Ingbert Naab berühmt gemacht. In der Wochenzeitung "Der gerade Weg" schrieb er 1932 unter diesem Titel einen of-fenen Brief an Adolf Hitler, nachdem dieser bei der Reichspräsidentenwahl 30,1 Prozent der Stimmen erhalten hatte. Mehr als 1000 Zeitungen im In- und Ausland haben den Artikel nachgedruckt. Allein in Deutschland ist er in einer Auflage von 20 Millionen Exemplaren erschienen. "Herr Hitler, auf ihrem Gewissen lastet die Schuld an der Zerreißung Deutschlands .... die Schuld eines möglichen Bürgerkrieges, . . . die Schuld des Verderbens der Jugend .... die Verwirrung der moralischen Begriffe" warf er dem Führer der Nationalsozialisten vor und verwies mit unmissverständlicher Klarheit und prophetischer Weitsicht auf die verheerenden Folgen einer Machtübernahme Hitlers, die Deutschland ins Verderben führen würde.

Von da an war der Kapuziner einer der meistgehassten Gegner der Nationalsozialisten. Nach der Machtergreifung 1933 musste er deshalb Deutschland verlassen. Bereits zwei Jahre später, am 28. März 1935, starb er im Alter von 49 Jahren in Straßburg im Exil.

Karl Naab, so sein Taufname, ist am 5. November 1885 in Dahn in der Pfalz geboren. 1905 trat er in Laufen an der Salzach in den Kapuzinerorden ein, wo er den Ordensnamen Ingbert bekam. Er studierte in Eichstätt Philosophie und Theologie und wurde dort 1910 zum Priester geweiht. Ein Aufbaustudium in Rom musste er nach vier Wochen wegen schwerer Gallenkoliken wieder abbrechen. 1916 wurde er Lektor der Theologie im Studienkloster in Eichstätt. Dies blieb er mit einer fünfjährigen Unterbrechung bis zu seiner Flucht aus Deutschland im Jahr 1933.

Daneben hat Ingbert Naab auch publizistisch gearbeitet. Als er 1921 Landesverbandspräses der Marianischen Studentenkongregationen Bayerns wurde, hat er für diesen Verband die Zeitschriften "Das große Zeichen" und der "Meeresstern" gegründet. Weitere Publikationen folgten: "Der Weg", eine Monatsschrift für die oberen Klassen der höheren Lehranstalten und "Die frohe Fahrt" für die unteren Klassen und schließlich "Das neue Leben", eine Zeitschrift für die studierende Mädchenwelt. Ziel dieser Zeitschriften war für P. Ingbert "die katholische Vertiefung und Ergänzung der durch die höheren Lehranstalten vermittelten Bildung."

Bald schon nahm sich Ingbert Naab in seinen Zeitschriften den übertriebenen Nationalismus jener Zeit vor und kritisierte den Geschichtsunterricht in den höheren Schulen, in dem ein sehr einseitiges Bild von Deutschlands "Größe" gezeichnet wurde: "Solange der Geschichtsunterricht nicht wahrer, sachlicher und kritischer wird . . .", schrieb er im "Weg", "solange werden viele höhere Lehranstalten Deutschlands immer zu den Hauptlieferanten der Hitlerbewegung zählen, solange werden Universitätsstudenten fortfahren, durch Krach und wüste Intoleranz ihre vaterländische Ertüchtigung zu zeigen."

Scharf und unmissverständlich analysierte Ingbert Naab die Hitlerbewegung. Er nannte Hitlers "Mein Kampf", ein "Handbuch der Demagogie". "Es ist ganz klar, daß ein Katholik nie Anhänger der Hitlerbewegung sein kann und überhaupt der sogenannten Deutsch Völkischen Bewegung vollständig ablehnend gegenüberstehen muß", schrieb er in der Zeitschrift "Das große Zeichen". Und in der Passauer Donauzeitung prophezeite er schon 1924: "Wir gratulieren der kommenden Menschheit zu diesem völkischen Staat! Da war die alte Sklaverei noch eine humane Einrichtung . . ."

Über den Eichstätter Hochschulprofessor Franz Xaver Wutz lernte Ingbert Naab die stigmatisierte Therese Neumann aus Konnersreuth kennen. Eines Tages traf er bei ihr den ehemaligen Hauptschriftleiter der Münchner Neuesten Nachrichten, Fritz Gerlich, der durch die Vorkommnisse in Konnersreuth zum katholischen Glauben gefunden hatte. Mit ihm verband P. Ingbert bald eine tiefe Freundschaft, aus der eine enge Zusammenarbeit im Kampf gegen die Nationalsozialisten erwuchs. "Ihr zwei müsst kämpfen. Helfen wird es ja nichts; aber ihr müsst es doch tun!" forderte die "Resl" die beiden auf. Naab wurde Gerlichs engster Mitarbeiter in dessen Kampfzeitung "Der gerade Weg". Gerlich musste diesen Kampf 1934 mit dem Leben bezahlen. Er wurde 1933 festgenommen und ein Jahr später im KZ Dachau erschossen. Gegen Naab erließen die Nazis nach Hitlers Machtergreifung ebenfalls Haftbefehl. Professor Wutz versteckte ihn zunächst. Dann stiftete Therese Neumann einen ihrer Besucher an, den Pater ins Ausland zu bringen. Ohne Bart, in Zivil und mit falschem Pass kam P.Ingbert in die Schweiz, wo er zunächst im Kapuzinerkloster Luzern Unterschlupf fand. Dort legte er sich den Namen P.Peregrinus (Wanderer, Fremdling) zu. Bald aber machten die Nazis sein Versteck ausfindig und er musste weiter fliehen, über Österreich in die Tschechoslowakei und dann wieder zurück in die Schweiz nach Solothurn. Schließlich schickte ihn der Ordensgeneral nach Straßburg, wo er als Lektor der Theologie tätig werden sollte.

Doch sein altes Magenleiden, das ihn auch im Exil immer wieder befiel, wurde zunehmend schlimmer. Er erholte sich nicht mehr von den Strapazen seines kämpferischen und unruhigen Lebens. Am 28. März 1935 starb P. Peregrinus. Auf seinem Grabkreuz durfte wieder sein richtiger Name stehen: P. Ingbert.

1953, 18 Jahre nach seinem Tod, wurden die sterblichen Überreste P. Ingbert Naabs feierlich von Straßburg nach Eichstätt übertragen. Sein Grab befindet sich seither im dortigen Kapuzinerfriedhof.

Karl Grüner

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